Der Weg zur Kunst sieht wohl bei keiner Künstlerin komplett gleich aus – darum erfahre ich immer sehr gern mehr über die individuelle Entwicklung von Kreativschaffenden. Und damit du auch etwas von meiner Neugier hast, habe ich mir heute ein kreatives Multitalent für einige Fragen geschnappt: Roberta Bergmann ist Künstlerin, Autorin, Designerin und Expertin für alles Kreative.
Im Interview erzählt sie, wie sie selbst zum Gestalten gekommen ist und wie ihr kreativer Flow aussieht. Und einige Tipps hat sie natürlich auch parat für alle, die ihren eigenen kreativen Weg finden wollen.
Viel Spaß beim Lesen!
Stell dich doch kurz vor und erzähl uns von deinem Werdegang!
Hi, mein Name ist Roberta Bergmann und ich bin seit 2005 freiberuflich als Gestalterin und Künstlerin unterwegs. Studiert habe ich Grafikdesign, 2003 habe ich noch im Studium meine erste Firma „Tatendrang-Design®“ mit 4 Kommilitoninnen gegründet. 2012 wurden wir mit dieser Idee und Firma von der Bundesregierung als „Kultur- und Kreativpilotinnen Deutschlands“ ausgezeichnet. Inzwischen arbeite ich viele Jahre schon als Lehrende, war z.B. unter anderem Gastprofessorin für Gestaltungsgrundlagen.
Aus dieser Tätigkeit heraus entstand mein erstes Sachbuch „Die Grundlagen des Gestaltens“. Zwei weitere Sachbücher folgten, aktuell arbeite ich an meinem vierten Sachbuch. Es dreht sich in meinen Büchern immer um die Themen Gestaltung, Kreativität und Flow.
Apropos „Flow“: Seit 2019 bin ich Gründerin von „Der kreative Flow“, einer Community für Kreativschaffende, zu der auch ein Blog, ein Podcast und eine Facebookgruppe gehören.
Wusstest du schon immer, dass du einmal im kreativen Bereich arbeiten möchtest?
Definiere „immer“, Alexandra! Also, als Kind habe ich viel gelesen und gezeichnet und damit bis heute auch nicht aufgehört. Als Jugendliche habe ich Ballett getanzt und Theater gespielt. Und als es in Richtung Berufswahl ging, habe ich überlegt etwas, mit Theater, Schreiben oder Malen/Zeichnen zu machen. Am stärksten hat es mich dann zum Gestalterischen gezogen, sodass ich auf den Beruf des Grafikdesigners aufmerksam geworden bin. Nach einigen Anläufen hat es dann an zwei Hochschulen geklappt und ich habe in Braunschweig Grafikdesign studiert. Im Studium hab ich dann gemerkt, was ich wirklich machen möchte: Illustrieren und Bücher machen. Darauf habe ich mich dann bis heute fokussiert.
Welche Themen beschäftigen dich in deinem Schaffen besonders?
Da ich inzwischen ja auch ganz viel Design- und Kreativvermittlung mache, Workshops gebe, unterrichte, beschäftigen mich aktuell allgemein die Themen Flow und Kreativität bzw. Auch die Frage, wie man seine kreative Identität findet. Das versuche ich in meinen Büchern, dem Podcast und dem Blog zu vermitteln.
Wenn ich selbst kreativ schaffe, z.B. eine Kurzgeschichte schreibe, ein Bild male oder ein Buch illustriere, dann finde ich die Geschichten spannend, wo es um menschliche Gefühle geht und da auch gern die melancholischen Emo-Feelings (lach!). Die Endlichkeit des menschlichen Daseins beschäftigt mich zum Beispiel sehr in meinem künstlerischem Schaffen, kann man hier anschauen: www.robertabergmann.art
Kann man auch ohne Studium Künstlerin werden?
Klar! So lange man neugierig ist, lernen will und sich ausprobiert, um sich weiter zu entwickeln, kann man auch ohne Studium Künstler*in werden. Ist aber nicht so einfach, gerade weil oft auf dem Kunstmarkt geschaut wird: Wo hat der/die Künstler*in studiert, bei wem den/die Meisterschüler*in gemacht etc. Ich selbst habe z.B. ja auch kein Kunst- sondern ein Designstudium abgeschlossen, dennoch fühle ich mich u.a. auch als Künstlerin. Denn ich habe ein Atelier, in dem ich male, drucke und zeichne und meine Bilder in Ausstellungen zeige und verkaufe. Ich bin Mitglied der Künstlersozialkasse und habe vom Finanzamt die Künstleranerkennung bestätigt bekommen. Und ich habe Einnahmen aus meiner künstlerischen Arbeit.
Es gibt viele Autodidakt*innen in der Kunst, die vom Kunst machen leben oder es versuchen. Ich sage bewusst „versuchen“, denn von der eigenen Kunst allein zu leben, ist nicht leicht – das muss man wirklich wollen.
Was macht deiner Meinung nach eine:n Künstler:in aus? Ab wann “darf” man sich Künstler:in nennen?
Gute Frage. Es ist vielleicht die Gretchenfrage (lach!). Für mich macht eine/n Künstler*in aus, dass er/sie es entweder studiert hat und dann anschließend mit seiner/ihrer Kunst das Geld verdient (oder dies versucht) oder autodidaktisch arbeitet, wie beschrieben. Ich kann und will auch niemandem „verbieten“, sich Künstler*in zu nennen – um die Frage mal umzudrehen! Also darf sich von mir aus auch jede/r so nennen, wenn er/sie sich als solche/r versteht. Ich bin da, im Gegensatz zu vielen Kolleg*innen wahrscheinlich sehr tolerant, vielleicht auch weil ich oft Intoleranz im Kunstbetrieb erlebe (leider).
Die Verdienstabsicht ist für mich Grundvoraussetzung. Und dass man nicht drüber redet, sondern auch regelmäßig neue eigene Kunst erschafft. Und sich meinetwegen auch nach außen als Künstler*in präsentiert (das ist aber kein Muss).
Wie sieht dein kreativer Prozess aus? Was ist deine größte Herausforderung?
Da ich mich viel mit dem kreativen Flow beschäftige, versuche ich im Kreativprozess natürlich immer in den kreativen Flowzustand zu kommen. Und das ist auch die größte Herausforderung. Denn für den kreativen Flow braucht man bestimmte, individuelle Voraussetzungen, z.B. genügend Zeit (das kann aber jeder anders definieren), die richtige Balance zwischen Anspannung und Entspannung, inspirierende Arbeitsmaterialien und eine herausfordernde, aber nicht überfordernde Aufgabe. D.h. um in den kreativen Prozess zu kommen, müssen all diese Voraussetzungen bei mir stimmen.
Wenn mich das Thema/Problem nicht interessiert, ist das schon das Ende. Denn ohne Interesse bei mir auch keine Lust (ja, das hat was mit Lust zu tun! Ich kann mir bewusst aussuchen, welche Projekte ich machen möchte und welche nicht).
Der kreative Prozess läuft dann wie bei Graham Wallas und in meinem Buch beschrieben in vier Phasen ab:
- Vorbereitung (Problem/Thema erkennen)
- Inkubation (Recherche und erste Ansätze gären lassen)
- Illumination (Geistesblitz > Idee für die Umsetzung)
- Verifikation (Testen der Idee > Umsetzung)
Das Ganze kann durchaus einige Schleifen ziehen, bis man zu einem Ergebnis kommt, das man zeigen kann und darf. Ich finde im Kreativprozess wichtig, dass man es als Experiment sieht, was auch scheitern kann und darf. Ich versuche oft, naiv und unbedarft an eine neue kreative Aufgabe heranzugehen, damit „zu spielen“, auch Abwegiges auszuprobieren, Impulse von außen zuzulassen – oder mich davon völlig abzuschirmen, kommt auf die Aufgabe an. Und daraus entwickelt sich oft etwas ganz anderes als ich vorher gedacht habe, was passieren wird. Und damit gehe ich dann weiter um. Wichtig ist dabei Neugier, Offenheit und wenig Selbstkritik zu üben, weil die blockieren kann. Und ja, in Phase 4 muss man dann eben schauen, ob das Problem/Thema für einen gelöst wurde und man mit dem Ergebnis zufrieden ist oder nicht.
Wie und wo findest du Inspiration?
Überall. Das ist wirklich völlig egal und kann in den absurdesten Situationen zu finden sein. Wenn jemand z.B. was sagt, was mich aufhorchen lässt oder etwas, was auf der Straße liegt und weggeschmissen wurde. Wirklich, ich finde Inspiration überall.
Welchen Tipp würdest du jemandem mitgeben, der seinen/ ihren künstlerischen Weg finden möchte?
Auf sich selbst zu hören, sich zu reflektieren und zu beobachten: Was macht er/sie gern? In welchen Situationen ist er glücklich/zufrieden, aber auch, was macht ihn/sie unglücklich oder wütend. Alles, was starke Gefühle auslöst, ist interessant und sollte genauer angeschaut werden. Auf Basis dessen kann man herausfinden, wofür das eigene Herz schlägt, womit man sich vorstellen kann, seeeeehr lange zu beschäftigen.
Das können auch Dinge sein, die man z.B. früher in der Kindheit gern gemacht hat oder ein Teilbereich einer Ausbildung/eines Studiums, wo man starkes Interesse entwickelt hatte bzw. was Spaß gemacht hat. Oder auch etwas, was einen total fasziniert und was man gern lernen wollen würde. Ich glaube, man kann alles erlernen, wenn man genug Interesse und Ehrgeiz hat, es dauert halt nur, man braucht definitiv Ausdauer. Also ist auch „Ausdauer haben“ ein kleiner Tipp von mir, um seinen kreativen Weg zu finden!
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